Präventionsstelle Oberbayern
Happy Birthday für die Präventionsstelle in Berg am Laim!
November 2022 - fokus (Betriebszeitung Nr. 102)
Dr. Islem Ganzoui freut sich über zahlreiche positive Rückmeldungen zum einjährigen Bestehen
Die Präventionsstelle in Berg am Laim ist vor einem Jahr unter der oberärztlichen Leitung von Dr. Islem Ganzoui in Betrieb gegangen. Das Angebot der Präventionsstelle richtet sich an Patientinnen und Patienten insbesondere mit einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis (ICD 10: F2), oder solche , die an einer schweren Persönlichkeitsstörung leiden, und die krankheitsbedingt ein erhöhtes Gewaltpotenzial aufweisen, sodass ihnen im Deliktfall eine Unterbringung im Maßregelvollzug gemäß § 63 StGB oder nach bayerischem PsychKHG droht. "Dabei ist die Präventionsstelle ein Teil der Allgemeinpsychiatrie - nicht der Forensik", erläuterte Dr. Ganzoui das Konzept. "Das Angebot findet auf freiwilliger Basis statt."
Redaktion: Liebe Fr. Dr. Ganzoui, zunächst herzlichen Glückwunsch zum einjährigen Bestehen. Ein guter Anlass für ein erstes Resümee: Wie haben die Patientinnen und Patienten das neue Angebot aufgenommen? War es schwierig, diese Patientinnen und Patienten zu erreichen?
Dr. Islem Ganzoui: Die Patientinnen und Patienten werden uns von Stationen und Ambulanzen oder von Kooperationspartnern außerhalb der Klinik zugewiesen. Viele waren von unserem Angebot begeistert, da sie von anderen Versorgungsangeboten aufgrund ihrer Problematik abgelehnt oder entlassen worden sind und sie oft auch Schwierigkeiten haben, bei niedergelassenen Psychiaterinnen und Psychiater Termine zu bekommen. Gut ist für die Patientinnen und Patienten der erklärte Fokus bei den Gesprächen auf die Gewaltproblematik, die von anderen Institutionen nicht besonders behandelt oder erkannt, als Gesprächsinhalt oft sogar eher gescheut wird. Zum anderen ist das Angebot einer umfassenden sozialpsychiatrischen Betreuung inklusive sozialpädagogischer Unterstützung (Wohnmöglichkeiten, Schuldenregulierung, Anträge etc.) ein wichtiger Aspekt, der uns ermöglicht hatte, diese Patientinnen und Patienten zu erreichen.
Wie viele Patientinnen und Patienten behandeln Sie aktuell?
Dr. Islem Ganzoui: Derzeit sind 43 Patientinnen und Patienten in Behandlung
Wie sieht Ihr therapeutisches Angebot für die Patientinnen und Patienten aus?
Wir bieten eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung an, bestehend aus Einzelgesprächen, Gruppentherapie, Psychoedukation, pflegerischer Unterstützung, sozialpädagogische Hilfe, all dies auch im Rahmen von Hausbesuchen. Die medikamentöse Behandlung wird meist durch die Psychiatrische Institutsambulanz geleistet.
Wie groß ist Ihr Team und welche Berufsgruppen umfasst es?
In der Präventionsstelle arbeiten wir multiprofessionell. Das Team besteht aus fast allen psychiatrischen Berufsgruppen: einer Oberärztin, einer Assistenzärztin, einem Fachkrankenpfleger, einer Sozialpädagogin, einer Psychologin und einer Sekretärin/Medizinischen Fachangestellten.
Gibt es Rückmeldungen von Seiten der Angehörigen oder Patientinnen und Patienten zu Angebot und Konzept?
Die Angehörigen sind in aller Regel erleichtert und haben überwiegend positive Rückmeldung an uns und an das Amt für Maßregelvollzug gegeben. In Angehörigengesprächen wird den Angehörigen vermittelt, wie am besten mit den Betroffenen und deren besonderen Problemen umzugehen ist, denn die Angehörigen sind nicht selten Opfer krankheitsbedingter Gewaltausbrüche der Betroffenen. Durch mangelnde Kenntnisse und fehlende Aufklärung zur Erkrankung fehlt ihnen oft die Kompetenz, die Betroffenen in akuten Phasen zu beruhigen oder auch, ihnen einfach aus dem Weg zu gehen.
Hat sich das Konzept bewährt oder ergaben sich in der Praxis Änderungen?
Die Behandlung in der Präventionsstelle ist kostenfrei. Die Finanzierung erfolgt nicht über die Krankenkassen, sondern durch das StMGP. Medizinische Leistungen, also z.B. medikamentöse Verordnungen gehören somit nicht zu den primären Aufgaben der Präventionsstelle. Die Patientinnen und Patienten müssen daher für die Behandlungsanteile von Psychiatrischen Institutsambulanzen oder niedergelassenen Psychiaterinnen und Psychiater mitversorgt werden. Die war für einige Patientinnen und Patienten schwierig, die aus organisatorischen und therapeutischen Gründen eine umfassende Behandlung aus einer Hand bei uns wünschten.
Wie beurteilen Sie den Erfolg des Angebots?
Wir erleben es als sehr erfolgreich - und das ist auch die Rückmeldung, die wir von außen, von den Nutzern und Kooperationspartnern bekommen. In näherer Zukunft soll das Angebot der Präventionsstelle München auch wissenschaftlich evaluiert werden. Es liegt bereits eine Studie von Prof. Nitschke (ehemaliger Leiter der Präventionsambulanz Ansbach) vor, die bestätigt hatte, dass durch ein solches Angebot eine Reduzierung der Zahl von Unterbringungen (§ 126a StPO bzw. § 63 StGB) festzustellen war. Daraufhin wurde auch 2019 beschlossen, bayernweit Präventionsstellen zu etablieren.
Das Interview führte Barbara Schmitt.